Die Geschichte der Heringsfänger in Schaumburg


Wie alles begann:

Alles begann mit den Hollandgängern. Aus der Not heraus und um zu überleben machten sich Jahr für Jahr einzelne Personen oder auch Gruppen zu Fuß auf den langen Weg, um irgendwo ein Auskommen zu finden und ihre Familien zu versorgen. Ganze Gruppen aus dem Schaumburgischen trafen sich mit anderen Gruppen aus dem norddeutschen Raum, um nach Holland zu wandern. Zur sogenannten Grasmaat. Diese Entwicklung begann bereits im 17. Jahrhundert und dauerte bis zur Mitte des 19. Jahrhundert an.

Der Grund für das Hollandgehen war die große Armut in der Bevölkerung. Die Lebenshaltung dieser in Armut lebenden Menschen konnte nicht mehr durch Erträge aus dem eigenen Besitz gedeckt werden. Industriearbeitsplätze, so wie wir sie heute kennen, gab es noch nicht und entwickelten sich erst später. Die Betroffenen waren daher gezwungen, sich außerhalb ihre Wohnsitzes und ihrer Heimat nach einer Verdienstmöglichkeit umzusehen.

Und Holland bot vielen Menschen genügend Arbeit.

Doch die Arbeit war schwer und hart. Primitive Unterkünfte, Akkordarbeit in großer Sommerhitze, morastiger Boden im Moor, ungesunde Ernährung und trostlose hygienische Verhältnisse brachten viele Krankheiten mit sich.

Zwischen der 1. und 2. Grasmaat suchten die Menschen aus Schaumburg und Umgebung Arbeit und Lohn beim Torfstechen, Kanalgraben und in küstennahen Orten als Plankensäger oder Zimmerleute auf den Werften, was nicht ohne Folgen blieb.

Es wird berichtet, dass es Karl-Friedrich Ahnefeld aus Niedernwöhren war, der im Spätsommer 1832 nicht mit seinen Kollegen vom Grasmähen zurückkam. Er hatte oft sehnsuchtsvoll in die Takelage der Segellogger und Walfangschiffe geschaut und auch von den guten Verdienstmöglichkeiten beim Heringsfang gehört. Irgendwann warf er seine Sense weg und lief zum Heuerbass (Hafenmeister), um auf einem Segellogger anzuheuern.

Und immer mehr Schaumburger folgten ihm und suchten ihr Glück im Heringsfang. Die Arbeit war zwar hart und gefährlich, aber besser bezahlt.

 

Die große Familie der Heringsfänger:

Wenn man durch die Ortschaften unserer Samtgemeinde geht, dann trifft man immer wieder auf Straßennamen und Denkmäler, die an die große Zeit der Heringsfänger in Schaumburg erinnert. Betrachtet man aber die soziale Geschichte unseres Landes und unserer Gemeinden, wie beschrieben, so wird dies verständlich. Niedernwöhren nimmt hier eine besondere Stellung ein. Männer aus unserer Ortschaft waren die Wegbereiter für die Seefahrergeschichte in Schaumburg.

Jahr für Jahr verließen sie im Frühjahr die Heimatorte, um den gefährlichen Beruf des Heringfängers auszuüben. So bildeten sich im Laufe der Jahre ganze Heringsfänger-Dynastien. Familien, wo Vater, Sohn und Bruder auf Heringsfang fuhren. Nicht selten auch auf dem selben Schiff. Manchmal kam die gesamte Besatzung aus einem Dorf. Man kannte sich, man vertraute sich. Ging so ein Schiff auf See verloren, dann traf es die Gemeinde besonders hart.

In der Hochzeit des Heringsfanges fuhren aus unserer Gemeinde zur gleichen Zeit 25 Kapitäne und 120 Seeleute auf Heringsfang. Nachgewiesen sind im Laufe der Jahrzehnte insgesamt 104 Kapitäne aus Niedernwöhren 

 

Der Versuch, sich zu organisieren:

Schon lange vor der Jahrhundertwende bestanden im Raum der Mittelweser Vorstufen der späteren Seemannsvereine: sogenannte Interessengemeinschaften der Heringsfänger. Bei der Emdener Heringsfischerei wurde jährlich ein Heuerausschuss gebildet, der sich aus Kapitänen, Steuerleuten und Matrosen zusammen setzte. Mit der Fischereigesellschaft verhandelte der Ausschuss über Fanganteile für die Mannschaft und andere Fragen der Fischerei.

Mit der Bildung weiterer Gesellschaften ab 1894 gründeten die Heringsfänger als ihre Interessenvertretung den Deutschen Heringsfängerverband mit Sitz in Niedernwöhren. Er bestand bis zum Beginn des 1. Weltkrieges.

Die Interessengemeinschaften waren nach der Gründung des Heringfängerverbandes nicht mehr erforderlich, wurden eingestellt oder lebten als Seemannsvereine weiter.

Die ab 1900 gegründeten Seemannsvereine dienten zur Pflege der Kameradschaft, aber auch zur Unterstützung in Not geratener Familien.

Der Seemannsverein Niedernwöhren gehört zu den ältesten Vereinen und ist in Niedernwöhren fester Bestandteil des dörflichen Vereinslebens.


Die Vereinsgründung


Im Jahre 1902 versammelten sich in Niedernwöhren etwa 60 Kameraden der großen Heringsfängerfamilie in der Gastwirtschaft Heine an der Brunnenstraße, um den Seemannsverein Niedernwöhren und Umgebung ins Leben zu rufen. 

Der damalige Gemeindevorsteher Harmening Nr.18 hat die Gründung tatkräftig unterstützt. Initiator war aber vor allen Dingen Kapitän Ernst Hohmeier, Niedernwöhren Nr. 31, der auch zum 1. Vorsitzenden gewählt wurde.

 

Als Gründungsmitglieder sind bekannt:

 

aus Niedernwöhren:

Kapitän Ernst Hohmeier, Friedrich Wemhöfer, Heinrich Wemhöfer, Wilhelm Wemhöfer, Gottlieb Wemhöfer, Heinrich Röbke, Karl Röbke, Heinrich Fricke, Ernst Paul, Fritz Wiebking, Wilhelm Wiebking, Ernst Harmening, Fritz Schröder, Fritz Vehling;

aus Meerbeck:

Fritz Heine, Wilhelm Heine, Ernst Heine, Fritz Grundmeier, Heinrich Grundmeier, Heinrich Dornbusch,

Heinrich Türnau;

 

aus Hespe:

Hermann Brinkmann, Wilhelm Völkening, Ernst Knake.

 

Oberstes Ziel des Vereins war die Pflege der auf See geschlossenen Kameradschaft und die gemeinsame Unterstützung der durch Krankheit in Not geratenen Kameraden.